Verspätete Feststellung eines Lungenkarzinoms
Prozesserfolg vor dem Landgericht Kassel – Arzthaftung / Behandlungsfehler: Verspätete Feststellung eines Lungenkarzinoms trotz eindeutiger Hinweise von Radiologischer Seite
Bei dem Ehemann unserer Mandantin, bei welchem es sich um einen starken Raucher handelte, stellten sich ab dem Monat März des Jahres 2012 starke Hustenanfälle mit Auswurf ein. Seitens des beklagten Hausarztes wurde dieser sodann zur Röntgen-Untersuchung des Brustkorbes (Thorax) an einen Radiologen überwiesen, welcher in seinem entsprechenden Befundbericht gegenüber dem Hausarzt mitteilte, dass dem Röntgenbild zwar keine Auffälligkeiten zu entnehmen seien, dieser den Patienten jedoch bei anhaltender Beschwerdesymptomatik mittels einer Computertomografie (CT) tiefergehend untersuchen lassen solle. Obwohl die Beschwerden im Laufe des Jahres weiter zunahmen, wurde eine solche CT-Diagnostik seitens des Hausarztes nicht veranlasst. Erst im Januar des Folgejahres kam es zu der weitergehenden Untersuchung, im Rahmen derer sodann ersehen werden musste, dass der Ehemann unserer Mandantin an einem zentral gelegenen Lungenkarzinom erkrankt war, welches zwischenzeitlich sowohl den linken Herzvorhof als auch die Lymphgefäßbahnen infiltriert hatte. Ebenfalls mussten Lymphknotenmetastasierungen festgestellt werden. Es schloss sich sodann die palliative Behandlung (Chemotherapie und Bestrahlung) an, unter welcher der Patient jedoch im Dezember des Jahres 2013 verstarb.
Trotz des hier offensichtlichen Befunderhebungsfehlers (= Unterlassen der CT-Untersuchung bei fortbestehenden/zunehmenden Beschwerden) wies die Haftpflichtversicherung des gegnerischen Hausarztes die Haftung bereits dem Grunde nach von sich. Im Rahmen des daraufhin erforderlichen Gerichtsverfahrens wurde seitens des erkennenden Gerichts ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Dieses belegte, dass die Anfertigung einer Computertomografie der Thoraxorgane infolge der Empfehlung des Radiologen zwingend erforderlich gewesen sei. Im Rahmen der daraufhin stattgehabten mündlichen Verhandlung wurde der geladenen Beklagte persönlich zu den Geschehnissen befragt, welcher insoweit behauptete, dass dieser den derweil verstorbenen Patienten wiederkehrend auf das Erfordernis der Durchführung einer Computertomografie hingewiesen habe.
Anmerkungen von RA Gilsbach:
Die Sachverständigenausführungen, welche sich insbesondere an der Patientendokumentation der gegnerischen Partei orientierten, zeigten auf, dass zwingend erforderliche Befunde nicht erhoben wurden. Nach der sodann getätigten Aussage des Beklagten blieb mithin unklar, ob tatsächlich Hinweise gegenüber dem der verstorbenen Patienten erfolgt waren. Zumindest ging aus der Patientendokumentation nicht hervor, dass eine entsprechende Überweisung angedacht bzw. erfolgt war, was beweisrechtlich zu Lasten des Beklagten ging. Unklar war daneben, ob und inwieweit sich bei frühzeitiger Diagnostik ein operabeler Befund ergeben hätte. Zur Klärung dieser Frage wäre die Einholung eines weiteren Gutachtens (onkologisches Sachverständigengutachten) erforderlich gewesen. Unter Berücksichtigung all dessen konnten sich die Parteien jedoch zur Vermeidung der weiteren Beweisaufnahme auf die Zahlung eines Vergleichsbetrages in Höhe von 20.000,00 € einigen.